Farben und Formen: das Wesen der Kunst

Die erste Begegnung zwischen den künstlerischen Ideen Adolf Hölzels (1853 – 1934) und Alfred Lehmann findet bereits in den frühen 20er Jahren statt: Lehmann – unzufrieden mit dem Lehrbetrieb der Stuttgarter Akademie – sucht nach Inspiration von außen und ist regelmäßig Gast bei den Privatvorlesungen des ehemaligen Akademiepräsidenten, der im Laufe seiner künstlerischen Entwicklung einen weiten Weg gegangen ist: von Realismus und Impressionismus hin zu konsequenter Abstraktion. Lehmann scheint die Konzepte Hölzels zunächst jedoch sorgfältig in seinem Herzen zu verschließen. Denn spürbar wird ihr Einfluss erst in den späten 40er Jahren – als Lehmann in Wort und Bild um die richtige Balance zwischen reiner Farb-Form-Komposition und Gegenständlichkeit ringt.
 

Die "Befreiung" der Kunst

Adolf Hölzel steht für eine Kunst, die sich vom Gegenstand emanzipiert und ihre ureigenen Mittel entdeckt: Form und Farbe. Inspiriert durch Carry van Biemas Hölzel-Darstellung in "Farben und Formen als lebendige Kräfte" – erschienen bereits 1930 – und zwei große Hölzel-Ausstellungen in Stuttgart (1947 und 1953) beginnt sich Lehmann intensiv mit den Ideen Hölzels auseinanderzusetzen. Und er ist fasziniert: Künstler wie Hölzel – so stellt Lehmann in seinem Vortrag über Willi Baumeister fest – haben für eine regelrechte "Befreiung" der Kunst gesorgt: "Die Erfindung der abstrakten Kunst war eine, wenn man so will, geniale." Hölzels Kompositionen aus Formen und Farben wirken "ganz wie Musik, große Musik. Ein verehrenswerter Meister!"
 

Lehmann und die Abstraktion

Die Rückbesinnung der Kunst auf ihre eigenen Mittel wird von Lehmann durchaus begrüßt – denn, so fragt Lehmann in einem Aufsatz "Zur Lage der Kunst" (PDF 45KB): "Haben wir nicht zu Recht das Gefühl, die Kunst sei im 19. Jahrhundert der Natur zu nahe gekommen, zu verwickelt zu künstlich geworden?"
 
Demgegenüber haben die Pioniere der Farb-Form-Harmonien Bemerkenswertes geleistet: "Sie fanden, in einem war alles zu gewinnen, fanden die vertretende Form, die Form, die im Einen das Ganze offenbare, sein Leben, seine Fülle, sein Gesetz – sein Sein schlechthin, sie fanden es als Künstler formend im Stoff auf der Fläche, indem sie sie bildend mit Farbe bedeckten, oh Urlaut der reinen Farbe. Sie schufen nicht mehr nach der Natur, sondern wie die Natur."
 
Kunst – davon ist Alfred Lehmann überzeugt – soll die Natur nicht oberflächlich nachahmen, sondern ihr Wesen durchdringen. Dazu muss sie selbst schöpferisch sein. Und das ist nur möglich, wenn sie ihre eigenen Kräfte konsequent nutzt.
 

Hölzels Ideen in Lehmanns Kunst

Alfred Lehmanns Beschäftigung mit Hölzel findet auch auf der Leinwand statt. Lehmanns Existenzbilder kommen den Hölzelschen Vorstellungen rein malerischer Kompositionen sehr nahe. Die Bilder sind bewusst "konstruiert", entstehen ganz ohne Vorbild aus der Natur und werden oft schon im Titel als "Komposition" charakterisiert.
 
Dennoch: Die Radikalität der Vertreter völliger Gegenstandslosigkeit teilt Lehmann nicht. Reine Malerei als allein selig machende Religion: Das geht Alfred Lehmann entschieden zu weit. Vielmehr arbeitet Lehmann an seinem eigenen Weg: Eine neue Malerei gewinnen, ohne den Bezug zur Welt zu verlieren. Hierin sieht er das große, auch moralisch motivierte Ziel des Künstlers. "Es ist eines der stärksten Argumente für die gegenständliche Kunst eben in ihrer humanisierenden Leistung für die Gesellschaft zu finden, anders bleibt die Natur der Farbphotographie überlassen."
 
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